XVIII. Jazz im Schloss
Mozart, Bach und Beethoven
- alles muss raus
Das "Dr. Jazz Trio" um den Pianisten Dr. Wolfgang Schömbs lockt mit "Jazz meets Classic" die Massen ins Schloss
XVIII. Jazz im Schloss
Mozart, Bach und Beethoven
- alles muss raus
Das "Dr. Jazz Trio" um den Pianisten Dr. Wolfgang Schömbs lockt mit "Jazz meets Classic" die Massen ins Schloss
Mozart, Bach und Beethoven
Pianist und Mozart-Intimus Dr. Wolfgang Schömbs am "Bösendorfer".
Bassist Matthias Weise macht mit Uwe Schmidt "Dr. Jazz" zum Trio.
Er ist voller Töne. Er sammelt sie im Kopf, im Bauch, in der Seele. Einmal im Jahr müssen die alle raus. Er schart seine Freunde um sich, denn davon hat er auch sehr viele, und lässt die Töne gemeinsam mit ihnen sprudeln. Am Samstag war es wieder soweit: Dr. "Jazz" Wolfgang Schömbs bat zum Festival der vielen Töne, zu "Jazz im Schloss".
"Einmal im Jahr gönne ich mir das", schwärmt eine Zuschauerin vor dem Konzert und ihre Augen leuchten, weil in diesem Moment auch noch "Dr. Jazz" persönlich das Gebäude betritt und strahlend die vielen Hände schüttelt, die ihm entgegengestreckt werden. Wolfgang hier, Wolfgang da, Küsschen rechts, Küsschen links, "Du, ich freue mich, dass ihr da seid". Man kennt sich, man ist eine Familie, und wenn nicht, gehört man irgendwann im Laufe des Abends dazu.
Eine kleine Nachtmusik
Schömbs' begabte und bewährte Mitstreiter, Mathias Weise am Bass und Uwe Schmidt an den Drums, haben weniger spektakuläre Auftritte. Schmidt ist irgendwie schon lange da und trommelt sich leise warm, Weise schwimmt mit der Menge in den Saal und ist nur am geschulterten Instrumentenkoffer zu erkennen. Nein, auch wenn es das "Dr. Jazz Trio" ohne Bass und Schlagzeug nicht gäbe: Das hier ist der Abend des Dr. Wolfgang Schömbs.
Als ob er sich das ganze Jahr wie ein Kind darauf gefreut hätte (hat er wahrscheinlich auch), genießt er den Moment, in dem er sich nun wieder an den teuren "Bösendorfer" Flügel setzen darf: "Eine kleine Nachtmusik", nur ein, zwei Takte - das Publikum seufzt, aahh, jaaa, schön! Applaus. Alle sind begeistert, Schömbs vor allen Dingen. Zweinhalb Stunden lang spielt er sich die Töne aus dem Leib, alles muss raus, Mozart, Schumann, Chopin, Beethoven, Bach. Auch das sind alles seine Freunde, man duzt sich, beziehungsweise Schömbs dutzt sie. Und weil man sich so gut kennt, erlaubt sich Schömbs, die Töne neu zu ordnen. Er packt ein paar dazu, viele,
um genau zu sein, experimentiert mit Tempi und Takt. Er variiert, improvisiert, baut Schlenker und Umwege ein, erfindet neue Melodien und findet irgendwann immer wieder zu den alten zurück. Es swingt und bluest, Schömbs geht mit, spielt wie ein Besessener, kann nicht ruhig sitzen, schwingt mit dem Oberkörper jedem Ton hinterher, versinkt regelrecht in Melodie und Klaviatur, schwitzt, strahlt, sucht immer wieder den Blickkontakt zum Publikum, als ob er fragen möchte: "Na? Habe ich das jetzt eben nicht wieder ganz toll gespielt?"
Klassik mutiert zu Jazz und wieder zurück, alles klingt neu und anders - und doch alt bekannt: Immerhin gibt es "Jazz im Schloss" ja nun auch schon seit 18 Jahren. Das Konzept ist bewährt, "Jazz meets Classic" halt. Und die Schublade, aus der Schömbs seine Ideen holt, ist übersichtlich. "Klassik, die jeder kennt und die jeder mag", steht vorne drauf. "Träumerei", "Goldberg Variationen", "Mozarts Sinfonie Nr. 40" und eben die "Kleine Nachtmusik" - das hat jeder schon einmal gehört. Nur halt nicht so. Das gibt es nur bei Schömbs.
Leuchtende Augen
Ein abgenutztes Konzept? Ja, könnte man meinen. Stört es? Nein. Das Publikum ist begeistert, die Musiker auch. Nach jedem Stück nehmen sie die Ovationen entgegen, als ob das nun schon der donnernde Schlussapplaus wäre. Schömbs springt mit leuchtenden Augen auf, lacht, schüttelt dankbar die Hände von Weise und Schmidt, steht mit ausgebreiteten Armen auf der Bühne, lässt sich feiern. Das hier ist sein Abend, wahrscheinlich der schönste im Jahr. Aber er dauert nicht ewig. Irgendwann ist gut. Das Publikum hätte gern noch mehr gehört, und Schömbs hätte auch bestimmt noch viel mehr Töne im Kopf und im Bauch und in der Seele. Ein Jahr bleiben sie jetzt dort. Aber dann dürfen sie wieder alle auf einmal raus.
Holger Schlegel
Goslarsche Zeitung 31.10.2006
Foto: Holger Schlegel